Blickpunkte

Blickpunkt 97

Soziale Arbeit trifft Landwirtschaft

Studierende der Sozialen Arbeit besuchen den landwirtschaftlichen Betrieb Aspichhof, einen freien Träger der Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischer Erkrankung

Während einer Exkursion lernten die Teilnehmenden im Seminar „Soziale Landwirtschaft als ökosoziales Handlungsfeld“ das sozialpädagogische Konzept des landwirtschaftlichen kennen und erlebten den vielfältigen Bauernhof – mit allen Sinnen.

Wieso beschäftigen sich Studierende in den Studiengängen der Sozialen Arbeit überhaupt mit landwirtschaftlichen Themen? In der Geschichte großer sozialer Einrichtungen spielten Bauernhöfe eine zentrale Rolle – als Arbeitsplatz und zur Selbstversorgung. Heute nennt sich die Kombination von sozialen Leistungen mit landwirtschaftlicher Produktion „Soziale Landwirtschaft“ und bietet für die Zukunft der Sozialen Arbeit vielfältige Potenziale. So entstehen innovative Assistenz- und Wohnkonzepte oder Arbeitsplätze für Adressat*innen, regional erzeugte Lebensmittel werden in den (Groß-)Küchen verarbeitet oder Bauernhöfe werden zu Orten ökologischer Bildung. Für fast jedes Arbeitsfeld und jede Zielgruppe lassen sich inzwischen Praxisbeispiele finden. Soziale Landwirtschaft lässt sich somit für die Gemeinwesenarbeit ebenso nutzen wie für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Mit dem Aspichhof besichtigten die Teilnehmenden des Seminars ein herausragendes Best-Practice-Beispiel. Im Schwarzwald gelegen blickt der Bauernhof auf eine knapp 800-jährige Geschichte zurück. Das Besondere zeigt sich allerdings in der Gegenwart: Über zehn Männer mit psychischen Erkrankungen wohnen und arbeiten auf dem Hof Hand in Hand mit den Betriebsleitenden und Angestellten. Eine Sozialpädagogin stellt die fachliche Begleitung sicher, unterstützt beim Kontakt zu Behörden oder anderen Diensten und berät bei der Zukunftsplanung.

Bis zum Jahr 2004 gehörte das sozialpädagogische Angebot/der Hof unter das Dach des benachbarten psychiatrischen Klinikums, bevor ihn der Vater des heutigen Betriebsleiters Simon Glaser übernahm. „Das Krankenhaus gab den unrentablen Geschäftszweig auf und stieß nach und nach die Bäckerei, die Gärtnerei und die Metzgerei ab, sodass wir heute den Großteil unserer Lebensmittel selbst weiterverarbeiten und lokal anbieten können“, berichtet Glaser. Denn auch die Vielfalt des Betriebs sei eine Besonderheit und komme den Menschen mit psychischen Erkrankungen zugute. So gäbe es vielfältige Tätigkeitsfelder, von der Fütterung der Kälber bis zum Verkauf im Hofladen. Die sinnerfüllende Arbeit erweise sich dabei oft als der entscheidende Faktor für die Menschen, die dadurch ihren Alltag wieder selbstständiger bewältigen lernen, so der Betriebsleiter.

„Beeindruckend war die offene und doch realistische Einstellung des Landwirts zu den Klient*innen“, resümiert Kristin Betz, die im fünften Semester Soziale Arbeit studiert. „Gerade im Vergleich zum Arbeitsalltag in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung empfinden wir die Arbeit auf dem Hof als erfrischend ‚normal‘“, pflichtet ihre Kommilitonin Hannah Klein bei.

Nicht nur dank der bunten Brotzeit mit den leckeren Erzeugnissen des Hofes gingen die Studierenden gestärkt nach Hause: Zwei Studentinnen berichteten, dass sie durch das Seminar inspiriert wurden und neue Chancen im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb sehen. Daniel Peipp, Dozent des Seminars, freut dies ganz besonders: „Aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten hoffe ich, dass Soziale Landwirtschaft als Arbeitsfeld für die Soziale Arbeit wiederentdeckt wird – nicht nur, weil dies der Profession hilft, eigene Wege bei der ökosozialen Transformation der Gesellschaft zu gehen“.

Zurück